Medizinrecht
Gelenkimplantate – Aufklärungspflicht bei Nickelallergie?
Interview mit Rechtsexpertin Sandra Voigt
Datum: 22.10.2012 | Kategorie: Interviews
Von: T.K.
Volksleiden Gelenkverschleiß – immer mehr Menschen benötigen alters- oder unfallbedingt einen künstlichen Gelenkersatz. Doch Vorsicht: Egal ob Hüft-, Knie oder Wirbelsäulenimplantat, in der Regel ist in den Prothesen auch Nickel enthalten. Allergiker vertrauen hier auf eine fundierte Aufklärung durch den behandelnden Arzt. Doch ist dieser überhaupt verpflichtet, auf allergiebedingte Risiken hinzuweisen? Nickelfrei.de befragte hierzu unlängst Rechtsexpertin Sandra Voigt, Assessorin und juristische Redakteurin des Rechtsberatungsportals anwalt.de.
Nickelfrei.de: Insbesondere vor chirurgischen Eingriffen bedürfen Patienten einer umfassenden Aufklärung über mögliche Komplikationen und Risiken der Operation. Erst auf Basis dieser Informationen kann eine wirksame Einwilligung des Betroffenen erfolgen. Inwiefern ist diese ärztliche Aufklärungsarbeit gesetzlich geregelt?
Nickelfrei.de: Nicht selten folgen auf den Einsatz nickelhaltiger Implantate allergische Reaktionen, die einen erneuten Eingriff erforderlich machen. Angenommen, ein Patient setzt den behandelnden Arzt über seine Nickelallergie in Kenntnis – ist der Mediziner nicht verpflichtet, den Betroffenen vor der OP über entsprechende Risiken aufzuklären? Voigt: Nicht unbedingt. Nur weil jemand an einer Hautallergie leidet, bedeutet das nicht, dass er auch bei der Verwendung einer nickelhaltigen Prothese mit allergischen Reaktionen rechnen muss. Die Implantate enthalten in der Regel weniger als ein Prozent Nickel, sodass selbst bis zum heutigen Zeitpunkt noch immer ungeklärt ist, ob nach dem Eingriff eine allergische Reaktion schuld an den körperlichen Beschwerden sein kann. Denn als weitere Ursache für die Schmerzen kommt meistens auch eine sogenannte Low-Grade-Infektion in Betracht. Da zurzeit somit kein Risiko bei der Verwendung einer nickelhaltigen Prothese erkennbar ist, müssen Ärzte auch nicht darüber aufklären. Anderes gilt nur, wenn dem Mediziner konkrete Hinweise vorlagen, die auf ein messbares Risiko hindeuteten, z. B. wenn der Patient bereits negative Erfahrungen mit nickelhaltigen Implantaten gemacht hat. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg am 08.05.2012 entschieden (Az.: 1 U 1 / 11).
Nickelfrei.de: Wie ist das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg zu bewerten? Ist zukünftig mit einer patientenorientierten Neuausrichtung der Gesetzgebung zu rechnen?
Nickelfrei.de: Wie können betroffene Allergiker im Falle einer bevorstehenden OP sicherstellen, dass eine nickelfreie Prothese Verwendung findet?
Nickelfrei.de: Der genannte Fall legt offen, wie wichtig eine umfassende Information über Vorkommen, Auslöser und mögliche Alternativen für Nickelallergiker ist. Wo können entsprechende Informationen bezogen werden? Voigt: Man kann immer eine Zweitmeinung bei einem anderen Arzt oder Erkundigungen bei seiner Krankenkasse einholen. Vor einem Aufklärungsgespräch bietet sich aber auch ein Blick ins Internet an. Hier findet man Gesundheitsportale, die sich ausschließlich mit Allergien beschäftigen. Die Online-Redakteure schreiben Artikel oder Ratgeber, mit denen sie Allergiker über Vorkommen, Auslöser und mögliche Behandlungsalternativen informieren. Damit kann sich der Betroffene umfassend auf das Beratungsgespräch mit seinem Arzt vorbereiten. Die Diagnose eines Arztes kann damit aber nicht ersetzt werden.
Das Interview wurde geführt von Tobias Kemper.
Internet: www.anwalt.de
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Über Nickelfrei.de
Fachärztin für Innere Medizin, Laboratoriumsmedizin, Geriatrie, Ernährungsmedizin und Naturheilverfahren
"Der Bedarf an Informationen ist sehr groß. Für medizinische Laien kann es jedoch schwierig sein, diese zu gewichten und einzuordnen. Bei meinen Recherchen bin ich auf inhaltlich hervorragende Internetseiten gestoßen, zu denen auch nickelfrei.de gehört." Neueste Beiträge im Forum
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