Patienten-Ratgeber
Bewusster leben mit Kontaktallergien
Interview mit Diplom-Chemikerin Dr. Silvia Pleschka
Datum: 26.04.2012 | Kategorie: Interviews
Von: T.K.
Kosmetische Inhaltsstoffe zählen zu den häufigsten Auslösern einer Kontaktallergie. Eine neue Informationsbroschüre soll Betroffenen nun helfen, in Kosmetik enthaltene Allergene besser erkennen und meiden zu können. Nickelfrei.de führte unlängst ein Interview mit der Autorin des Ratgebers, Dr. Silvia Pleschka, Diplom-Chemikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des deutschen Allergie- und Asthmabundes e. V..
Nickelfrei.de: Frau Dr. Pleschka, der Ratgeber „Bewusster leben mit Kontaktallergien”“ wurde im Rahmen des nationales Aktionsplans gegen Allergien realisiert. Wie würden Sie die angestrebten Ziele dieses ambitionierten Projektes definieren? Pleschka: Wir sehen diesen Ratgeber als eine praktische Hilfe für Kontaktallergiker. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass viele Allergiker zwar anhand einer Diagnose ihre Allergieauslöser kennen, aber oft Probleme haben, diese Information im Alltag zu nutzen, um Allergieauslöser zu meiden. Die Angaben im Allergiepass orientieren sich oft an den Fachbezeichnungen der Allergologen. Um die Allergieauslöser in den verschiedenen Alltags- produkten zu erkennen – insbesondere in kosmetischen Produkten wie Shampoos, Deodorantien oder Pflegelotionen – benötigen die Betroffenen eine „Übersetzungshilfe”“. Mit unserem Ratgeber ist es Kontaktallergikern möglich, ihre Allergieauslöser in Pflegeprodukten zu erkennen, zu meiden und im Gegenzug gut verträgliche Produkte ausfindig zu machen, um so ihren Alltag trotz Allergie möglichst beschwerdefrei gestalten zu können.
Nickelfrei.de: Die Herstellung von Kosmetika unterliegt strenger Kontrollen, insbesondere die Sicherheit von Inhaltsstoffen wird umfangreich geprüft. Dennoch führen eben diese immer wieder zu Unverträglichkeitsreaktionen oder Kontaktallergien. Wie erklären Sie dies? Pleschka: Im Grunde genommen müssen wir hier bei der Entstehung von Allergien ansetzen. Bei Allergien handelt es sich um Unverträglich- keitsreaktionen auf an sich harmlose Stoffe. Aufgrund des häufigen Einsatzes von Kosmetika sowie dem intensiven und langen Hautkontakt sind strenge Bewertungen und Kontrollen aber durchaus sinnvoll. Denn kosmetische Inhaltsstoffe, die in der Regel gut vertragen werden, können bei einer sehr empfindlichen Person bei entsprechender Disposition zur Allergie führen. Kein Kosmetikhersteller kann – trotz sorgfältiger Auswahl der Rohstoffe – garantieren, dass dieses Produkt absolut verträglich ist. Die Frage, warum Allergien überhaupt entstehen, ist wissenschaftlich nach wie vor nicht geklärt.
Nickelfrei.de: Welche Stoffe kommen als Auslöser einer Kontaktallergie infrage? Pleschka: Im Prinzip kann fast jeder Stoff eine Allergie oder Unverträglichkeitsreaktion auslösen. Kontaktallergien sind keine Seltenheit: Etwa ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland ist sensibilisiert. Der Informationsverbund der Dermatologischen Kliniken hat im Jahr 2006 eine Hit-Liste der Kontaktallergie-Auslöser herausgegeben. An erste Stelle ist hier das Nickel(II)-Sulfat zu finden, gefolgt von Duftstoffen. Doch auch Konservierungsmittel und Farbstoffe gehören zu den häufigsten Allergieauslösern in Kosmetika.
Nickelfrei.de: Kontaktallergien sind nicht heilbar, die Therapie beschränkt sich lediglich auf die Behandlung der jeweiligen Symptome. Wo setzt hier der neue Ratgeber „Bewusster leben mit Kontaktallergien”“ an? Pleschka: Unsere Idee, die wir in diesem Ratgeber realisieren konnten, war, die Betroffenen dazu zu befähigen, ihre Allergieauslöser eindeutig in verschiedenen Kosmetika zu erkennen und sie zu meiden. Zudem wollten wir darauf hinweisen, dass die jeweiligen Allergieauslöser auch in weiteren Alltagsprodukten vorkommen können, beispielsweise in Arzneimitteln, Wandfarben, Schuhcremes, Klebstoffen oder Textilien. Daher sollte auch der behandelnde Arzt oder ein beratender Apotheker auf bestehende Kontaktallergien hingewiesen werden.
Nickelfrei.de: Laut Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) können Allergiker die für sie relevanten Allergene aufgrund mangelnder Aufklärung oftmals nicht meiden. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang Bedarf und Nutzen medizinischer Informationsportale wie Nickelfrei.de? Pleschka: Dank der Deklarationsverpflichtung für Inhaltsstoffe liegt für Kosmetika bereits eine umfassende Information vor. Leider ist diese schwer verständlich und daher auch für Kontaktallergiker nur begrenzt nutzbar. Für viele Alltagsprodukte wie Büromaterialien, technische Geräte, Spielzeug oder Textilien gibt es jedoch fast keine Information zu den Inhaltsstoffen. Das Problem sehe ich daher nicht nur in einer mangelhaften Aufklärung, sondern insbesondere auch im mangelnden Informationsangebot – diese Informationen von den Händlern bzw. Herstellern zu bekommen ist meist sehr mühsam. Gesundheitsportale wie Nickelfrei.de sind daher wichtige und seriöse Informationsquellen zu speziellen Themen. Das Portal bietet Betroffenen nicht nur kompetente Entscheidungshilfen, sondern setzt sich auch mit wichtigen Aspekten der Gesundheitspolitik auseinander – ein wichtiges Informations- angebot nicht nur für Allergiker und ihre Familien.
Das Interview wurde geführt von Tobias Kemper.
Hinweis: Der Ratgeber "Bewusster leben mit Kontaktallergien" kann kostenlos beim Deutschen Allergie- und Asthmabund e. V. sowie in begrenzter Stückzahl auch direkt bei uns angefordert werden (kontakt(at)nickelfrei.de). |
Über Nickelfrei.de
Medizinische Redakteurin des Gräfe und Unzer Verlags, zuständig für die GU Nährwert-Kalorien-Tabelle
"Die Ernährung ist nur einer von vielen Faktoren, die Allergiker beachten müssen. Nickelfrei.de eröffnet weiterführenden Zugang zu vielfältigen aktuellen Informationen über Auslöser, Ursachen und Therapien, Erfahrungsaustausch mit Betroffenen sowie direkten Kontakt zu Experten." Neueste Beiträge im Forum
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